Der Mindestlohn ist immer wieder Teil der politischen Diskussion, insbesondere dessen Höhe. Das Mindestlohngesetz trat vor bald fünf Jahren nach langen Diskussionen in Kraft, und der Mindestlohn betrug zunächst 8,50 Euro pro Arbeitsstunde. Inzwischen liegt er bei 9,19 Euro. Alles in bester Ordnung also? Die jüngste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 30.01.2019 (5 AZR 556/17) bietet Gelegenheit für eine Zwischenbilanz.
Das BAG nutzte die ersten Entscheidungen zum Mindestlohngesetz, um die richtige Berechnung des Mindestlohns zu konkretisieren. Diese Frage hatte der Gesetzgeber bewusst nicht geregelt und den Gerichten überlassen. Viele Arbeitgeber befürchteten deshalb, der Mindestlohn müsse allein mit der Grundvergütung erreicht werden, und etwaige Zusatzbestandteile wie Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen würden nicht berücksichtigt. Dieser Sichtweise vieler Arbeitnehmervertreter erteilte das BAG allerdings rasch eine Absage. Demnach kann die Grundvergütung durchaus niedriger liegen als der Mindestlohn. Wenn der Arbeitgeber Zulagen gewährt, die – zusammen mit der Grundvergütung – den Mindestlohn erreichen, so ist dies ausreichend. Dies gilt insbesondere für Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge sowie für etwaige Prämien. Das BAG verwies dazu in mehreren Entscheidungen auf den Zweck des Gesetzes, ein existenzsicherndes Einkommen sicherzustellen. Dies könne auch über Zulagen geschehen. Ausnahme: Zulagen, die nicht die Arbeitsleistung belohnen wie etwa Treueprämien sowie Zahlungen, die der Arbeitgeber nur unter Vorbehalt erbringt.
BAG nimmt Thema Praktikum in den Blick
Das BAG hat mit seiner neuen Entscheidung nun auch noch einmal das Thema Praktikum in den Blick genommen. Das Mindestlohngesetz regelt ausdrücklich, dass Praktikanten – wie alle Arbeitnehmer – Anspruch auf den Mindestlohn haben. Allerdings macht das Gesetz auch Ausnahmen für Pflichtpraktika im Rahmen von Studium und Ausbildung sowie für Praktika, die der Orientierung zur Ausbildungs- und Berufswahl dienen sollen. Solche Praktika müssen laut Gesetz nicht vergütet werden, falls sie nicht länger als drei Monate dauern.
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin vom 06.10.2015 bis zum 25.01.2016 ein Praktikum zur Ausbildung als Pferdewirtin absolviert, wobei sie mehrere Tage krankheitsbedingt ausgefallen war. Zudem hatte sie selbst darauf bestanden, das Praktikum zum Zwecke des Familienurlaubs für drei Wochen zu unterbrechen. Die Klägerin verlangte nun rund 6.600 Euro Mindestlohn, weil sie Arbeitsleistungen wie ein Arbeitnehmer erbracht habe und weil der Zeitraum mehr als drei Monate umfasst habe. Das BAG befand zugunsten der Arbeitgeberin. Zunächst stellt es laut der bislang vorliegenden Presseerklärung klar, dass kein Arbeitsverhältnis vorgelegen habe, sondern ein Praktikum, denn die Berufsorientierung – nicht die Arbeitsleistung – habe im Vordergrund gestanden. Die Unterbrechungszeiten aufgrund Krankheit und Urlaub seien aus der Gesamtdauer des Praktikums herauszurechnen, so dass es insgesamt die Dauer von drei Monaten nicht überschritten habe. Daraus folgt, dass Arbeitgeber bei sogenannten Orientierungspraktika stets auf den Zweck und die Dauer achten und diese dokumentieren sollten, um Mindestlohnansprüche zu vermeiden. Im Übrigen gilt aber: Auch Praktikanten haben Anspruch auf den Mindestlohn.
Zoll prüft Einhaltung der Vorschriften
Auch wenn das BAG bislang mit Augenmaß geurteilt und damit unnötige Belastungen für Arbeitgeber vermieden hat, müssen Arbeitgeber berücksichtigen, dass das Mindestlohngesetz nicht nur auf arbeitsgerichtlichem Wege durchgesetzt werden kann. Der Zoll prüft nämlich weiterhin und mit verstärktem Personaleinsatz die Einhaltung der Vorschriften. Laut der Zoll-Statistik stieg die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen Arbeitgeber von 705 im Jahr 2015 über 1.615 in 2016 auf 2.518 Verfahren in 2017 bei einer Schadenssumme von rund 1 Milliarde Euro. Die Zahlen für 2018 liegen zwar noch nicht vor, die Einrichtung nachhaltiger Compliance-Systeme ist allen Arbeitgebern jedoch dringend ans Herz zu legen.