Das Bundesarbeitsgericht hätte eigentlich über einen Fall von hoher Praxisrelevanz entscheiden sollen: In dem Verfahren (2 AZR 564/18) ging es um die Kontrolle des dienstlichen E-Mail-Accounts eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber bei erlaubter Privatnutzung des Accounts. Zu einer Entscheidung kam es jedoch nicht, da die Parteien einen Vergleich abschlossen.
Der Fall
Gegenstand des Verfahrens war eine verhaltensbedingte Kündigung. Der Arbeitnehmer bezeichnete den Geschäftsführer seines Arbeitgebers in privaten E-Mails als „Russen-Arschloch“, „Vorturner“, „Flasche“, „Russen-Ei“ und „Idiot“. Nach der IT-Richtlinie des Arbeitgebers war die private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts erlaubt, die Einsicht in die Mailbox durfte nur aus betrieblichen Gründen erfolgen. Als „privat“ gekennzeichnete Ordner sollten nicht eingesehen werden. Einen privaten E-Mail-Ordner hatte der Arbeitnehmer nicht angelegt. Und es kam, wie es kommen musste: Der Arbeitgeber las die E-Mails, nachdem er von Kunden auf ein geschäftsschädigendes Verhalten des Arbeitnehmers aufmerksam gemacht wurde.
Die bisherige Entscheidung
Das LAG Hessen als Vorinstanz (10 Sa 601/18) hielt die von dem Unternehmen ausgesprochene Kündigung für unwirksam. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers sei verletzt, da es dem Arbeitgeber an Anhaltspunkten für eine Straftat oder erhebliche Pflichtverletzung gefehlt habe, um die E-Mails zu kontrollieren. Ermittlungsmaßnahmen des Unternehmens „ins Blaue hinein“, die aufgrund einer bloßen Äußerung von Kunden über „geschäftsschädigendes Verhalten“ erfolgen, rechtfertigen nach dem LAG Hessen keinen Zugriff auf die Inbox des Arbeitnehmers nach § 32 BDSG a.F. (jetzt § 26 BDSG n.F.). Zur Begründung der Kündigung dürfe der Arbeitgeber daher nicht auf die privaten E-Mails des Arbeitnehmers zurückgreifen.
Die Ausgangslage
Die E-Mail-Nutzung am Arbeitsplatz wirft – nicht erst – seit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eine Vielzahl von arbeitsrechtlichen Problemen auf. Die E-Mail-Nutzung ist eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten, soweit sie personenbezogene Daten enthält (z.B. durch die Verwendung einer E-Mail-Adresse „vorname.nachname@arbeitgeber.de“). Der Arbeitgeber benötigt daher eine Rechtfertigungsgrundlage für die Datenverarbeitung. Dies wird für die dienstliche Nutzung in der Regel § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG n.F. sein (Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses).
Gestattet der Arbeitgeber auch die private Nutzung des E-Mail-Accounts, ist diese Art der Nutzung und damit dieser Umfang der Datenverarbeitung nicht mehr für die „Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses“ erforderlich. Das Unternehmen benötigt auch hierfür eine Rechtfertigungsgrundlage, wie z. B. eine Einwilligung des betroffenen Arbeitnehmers, eine Betriebsvereinbarung oder eine gesetzliche Vorschrift.
Wann darf kontrolliert werden?
Der Umfang der Zugriffs- und Kontrollrechte des Arbeitgebers hängt davon ab, ob der E-Mail-Account dienstlich oder auch privat genutzt werden darf. Bei einer ausschließlich dienstlichen Nutzung besitzt der Arbeitgeber ein umfassendes Einsichtsrecht. Ist die Privatnutzung gestattet, darf er auf die Inbox z.B. zugreifen, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht einer Straftat im Arbeitsverhältnis begründen und die weiteren in § 26 Abs. 1 BDSG genannten Voraussetzungen vorliegen (Erforderlichkeit, Interessenabwägung). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, unterliegt der Arbeitgeber mit den gewonnenen Erkenntnissen einem Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot. Zumindest ein Beweisverwertungsverbot hatte das Bundesarbeitsgericht (2 AZR 681/16) bei Fehlen der Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 BDSG im Fall der Verwendung einer Keylogger-Software angenommen.
Empfehlung für die Praxis
Ob der Arbeitnehmer den dienstlichen E-Mail-Account auch zu privaten Zwecken nutzen darf, ist eine Entscheidung des Arbeitgebers. Das Verbot der Privatnutzung bietet datenschutzrechtlich für den Arbeitgeber erhebliche Vorteile. Inzwischen dürfte ohnehin fast jeder Arbeitnehmer ein Smartphone haben, mit dem er private E-Mails schreiben kann, so dass er nicht auf die Nutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts zu privaten Zwecken angewiesen ist. In jedem Fall gilt aber: eine klare und unmissverständliche Regelung über die Verhaltenspflichten und Zugriffsrechte, gerade bei erlaubter privater Nutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts, ist unerlässlich.