Der BGH hat in einem kürzlichen Urteil festgestellt, dass Bonitätsbeurteilungen, die auf zutreffenden Tatsachengrundlagen basieren, als Meinungsäußerung keine Schadensersatzansprüche begründen können. Die Beklagte, ein auf Wirtschaftsauskünfte spezialisiertes Unternehmen, hatte das klagende Unternehmen mit einer negativen Bonitätsbeurteilung belegt, verbunden mit einer negativen Einschätzung der Zahlungsweise. Das betroffene Unternehmen ging dagegen vor und verlangte unter anderem Schadensersatz, da die Bonitätsbewertung fehlerhaft sei.
In seinem Urteil vom 22. 2. 2011 (Az. VI ZR 120/10, DB 2011 S. 873) weist der BGH diesen Anspruch zurück, weil sich die Klägerin gegen ein Werturteil wende und nicht gegen falsche Tatsachenbehauptungen. Der BGH untersucht mögliche Schadenersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der Kreditgefährdung und des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Bei beiden kommt er jedoch zu einem negativen Ergebnis.
Gem. § 824 Abs. 1 BGB steht dem Geschädigten gegen denjenigen, der der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, unter bestimmten Umständen ein Anspruch auf Schadenersatz zu. Allerdings setze diese Vorschrift voraus, dass es sich um eine Mitteilung von unwahren Tatsachen und nicht um Werturteile handele. Der BGH bekräftigt dabei seine frühere Rechtsprechung, dass § 824 BGB vor abwertenden Meinungsäußerungen und Werturteilen keinen Schutz bietet.
Nur dann, wenn eine Aussage einer Überprüfung ihrer Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich sei, sei sie als Tatsachenbehauptung und nicht als Werturteil einzustufen. Zwar sei die Bonitätsbeurteilung eines Unternehmens im Allgemeinen eine Bewertung, die auf Tatsachen beruhe. Diese Tatsachen seien nach vorgegebenen Kriterien gewichtet und flössen so in das Werturteil ein. Dadurch würde das Werturteil selbst aber nicht zu einer Tatsachenbehauptung. Dies sei lediglich dann der Fall, wenn aus Sicht des Empfängers die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens gegenüber den zu Grunde liegenden Tatsachen in den Hintergrund träten.
Auch unter dem Gesichtspunkt des sogenannten Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der gem. § 823 Abs. 1 BGB grundsätzlich zu Schadensersatzansprüchen führen kann, kommt der BGH nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar stünden sich auch hier das Grundrecht der Meinungsäußerung des Bewertenden und das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit des Unternehmens gegenüber. Letzteres schütze, wie vom BVerfG ausgeführt, aber nicht vor der Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen am Markt, die für das wettbewerbliche Verhalten der Marktteilnehmer von Bedeutung sein können. Dies sei selbst dann der Fall, wenn die Inhalte sich auf einzelne Wettbewerbspositionen nachteilig auswirken. Denn Grundlage der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs sei ein möglichst hohes Maß an Informationen der Marktteilnehmer über marktrelevante Faktoren. Die Erteilung von zutreffenden Bonitätsauskünften sei für die funktionierende Wirtschaft von erheblicher Bedeutung. Da die Auskunft der Beklagten auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage beruhe, müsse die Klägerin die von der Beklagten über sie erteilte Auskunft hinnehmen.
Das Urteil werde sicherlich von Kreditauskunftsunternehmen begrüßt, stärkt es doch ihre Rechtsposition im Hinblick auf die von ihnen erteilten Auskünfte. Begrüßenswert ist das Urteil auch unter dem Gesichtspunkt der Meinungsäußerungsfreiheit, die auch im Wirtschaftsleben gelten muss und nicht durch Schadensersatzansprüche indirekt eingeschränkt werden darf. Nicht zu verkennen ist jedoch die große Verantwortung, die Wirtschaftsauskunfteien bei Beurteilungen der Kreditwürdigkeit von Unternehmen übernehmen, können sich auf falschen Tatsachen beruhende Werturteile doch erheblich und sehr einschneidend auf Unternehmen auswirken. Weist ein Unternehmen in einem solchen Fall einen Schaden nach, so steht ihm diesbezüglich ein Ersatzanspruch zu, worauf der BGH deutlich hinweist. Wirtschaftsauskunftsunternehmen sind daher gut beraten, ihre Werturteile auf sorgfältig recherchierter Tatsachenbasis abzugeben, auch wenn die Nachweishürden für das Unternehmen in der Praxis hoch sein werden. Interessant wird auch sein, inwieweit sich die in der Finanzkrise in Misskredit geratenen Ratingagenturen auf das Urteil stützen werden und ob dies Auswirkungen auf deren neu geschaffene Aufsicht haben wird.