In der Private-Equity-Branche sorgt eine Entscheidung der EU-Kommission für Unruhe, die gegen das sog. „Power-Cable“-Kartell erlassen wurde. Dort wurde u.a. Goldman Sachs mit einem Bußgeld belegt, weil sie einst Gesellschafter eines kartellbeteiligten Unternehmens waren. Müssen Investmentgesellschaften also befürchten, für Kartellverstöße ihrer Portfolio-Unternehmen zur Verantwortung gezogen zu werden, auch wenn sie „nur“ eine reine Finanzbeteiligung halten?
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EuGH zu Schadensersatzansprüchen von Kartellgeschädigten bei Preisschirmeffekten
In seinem Urteil vom 05.06.2014 (Rs. C-557/12 – Kone) hat der Gerichtshof entschieden, dass das Kartellverbot des AEUV (Art. 101 AEUV) dahingehend auszulegen ist, dass diese Bestimmung einer Auslegung und Anwendung des innerstaatlichen Rechts eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach es aus Rechtsgründen kategorisch ausgeschlossen ist, dass die an einem Kartell beteiligten Unternehmen zivilrechtlich für Schäden haften, die daraus resultieren, dass ein an diesem Kartell nicht beteiligtes Unternehmen in Anbetracht der Machenschaften des Kartells seine Preise höher festgesetzt hat, als es dies ohne das Kartell getan hätte. Im Ergebnis hat der Gerichtshof es den nationalen Gerichten überlassen, im jeweiligen Einzelfall unter Würdigung aller Umstände, vor allen Dingen der Marktverhältnisse, darüber zu befinden, ob die Mitglieder eines Kartells auch dafür haften, dass Nichtkartellanten unter dem Schirm des Kartells Preise verlangen konnten, die sie in einem effektiv funktionierenden Markt nicht hätten verlangen können.
Kartellrechtlicher Schadensersatzprozess – OLG Hamm zur Einsicht in Kronzeugenanträge
Das OLG Hamm hat es mit Beschluss vom 26. 11. 2013 – 1 VAs 116/13 u. a. einem Zivilgericht gestattet, für Zwecke eines kartellrechtlichen Schadensersatzprozesses Einsicht in Kronzeugenanträge zu nehmen. Es setzt damit einen Kontrapunkt zur kürzlichen kronzeugen-freundlichen Entscheidungspraxis des AG Bonn (Beschluss vom 18. 1. 2012 – 51 Gs 53/09, Pfleiderer) und des OLG Düsseldorf (22. 8. 2012 – V-4 Kart 5+6/11 OWi, Kaffeeröster).
Settlement-Verfahren in Kartellbußgeldverfahren – Merkblatt des Bundeskartellamts
Sog. Settlements – also die einvernehmliche Beendigung von Kartellbußgeldverfahren – haben in der Verfolgungspraxis des Bundeskartellamtes eine überragende Bedeutung, denn durch beschleunigte Verfahren und reduzierte Bußgelder entlasten sie sowohl die Kartellbehörde als auch die betroffenen Unternehmen. Kartellverfahren, in denen nicht zumindest mit einem der Beteiligten ein Settlement erzielt wird, sind inzwischen die Ausnahme. Aktuelles Beispiel ist die Einigung mit fünf Brauereien von „Fernsehbieren“ auf ein Bußgeld von mehr als EUR 100 Mio.
Das Bundeskartellamt hat die in der Praxis entwickelten Grundsätze des Settlement-Verfahrens nun in einem Merkblatt zusammengefasst.
Der Kern des Verfahrens ist ein Anerkenntnis des zur Last gelegten Sachverhalts sowie die Verhängung eines Bußgeldes in vorbesprochener Höhe. Nicht Gegenstand des Vergleiches ist hingegen die Frage, ob überhaupt ein Kartellverstoß vorliegt. Dieser wird vielmehr mit dem (Kurz‑)Bußgeldbescheid, der das Settlement-Verfahren abschließt, rechtsverbindlich festgestellt.
Kartellrechts-Sammelklage gescheitert
Die belgische Unternehmensgruppe Cartel Damages Claims (CDC) hat bei ihrem Versuch, im deutschen Kartellrecht Sammelklagen nach amerikanischem Vorbild durchzusetzen, einen herben Rückschlag einstecken müssen.
Das LG Düsseldorf hat mit Urteil vom 17. 12. 2013 – 37 O 200/09 [Kart] eine Klage von CDC gegen sechs Teilnehmer des Zementkartells als unbegründet abgewiesen. CDC hatte diese Klage eingereicht, nachdem die Europäische Kommission die Kartellteilnehmer mit Bußgeldern belegt hatte. Es handelte sich also um eine sog. Follow-On-Klage, bei der sich der Kläger die Bindungswirkung der Bußgeldentscheidung einer Wettbewerbsbehörde für deutsche Gerichte bezüglich der Rechtsverletzung nach § 33 Abs. 4 GWB zunutze macht. Der Kläger muss dann nur noch die Schadenshöhe und die Kausalität nachweisen. Ähnliche Follow-On-Klagen hat CDC auch in anderen Fällen vor deutschen und ausländischen Gerichten eingereicht. In einem anderen Fall, der beim LG Dortmund anhängig ist und über den noch der EuGH in einem Vorlageverfahren entscheiden muss, liegt die Forderung bei rund 650 Mio. €.
Fusionskontrolle: Die Bagatellmarktklausel in neuem Gewand
Die am 30. 6. 2013 dieses Jahres in Kraft getretene 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen („GWB“) hat die sog. Bagatellmarktklausel von einem Aufgreifkriterium zu einem materiellen Ausschlusskriterium reduziert (vgl. § 36 Abs. 1 Nr. 2 GWB). Das bedeutet, dass ein Zusammenschlussvorhaben, auch wenn es einen Bagatellmarkt betrifft, beim Bundeskartellamt vor dem Vollzug angemeldet werden muss. Allerdings darf das Bundeskartellamt einen Zusammenschluss nicht untersagen, wenn dieser einen Bagatellmarkt betrifft, auch dann nicht, wenn i. Ü. die Untersagungsvoraussetzungen vorliegen würden. Diese Änderung ist i. S. der Rechtssicherheit zu begrüßen, auch wenn sie für die betroffenen Unternehmen zu einem prozeduralen Mehraufwand führt.
Als sog. Bagatellmarkt bezeichnet das GWB einen betroffenen Markt, auf dem seit mindestens fünf Jahren Waren oder gewerbliche Leistungen angeboten werden und auf dem im letzten Kalenderjahr weniger als 15 Mio. € umgesetzt wurden.
Kooperationspflicht bei Durchsuchungen durch die Kartellbehörden
Fast jeden Monat sind die Beamten der europäischen und deutschen Kartellbehörden unterwegs, um Unternehmen der verschiedensten Branchen zu durchsuchen. Den Startschuss in diesem Jahr gab das Bundeskartellamt im Februar mit Durchsuchungen in der Stahlbranche, gefolgt vom Sanitärgroßhandel im März. Im Mai durchsuchte es Unternehmen der Kartoffelbranche. Im selben Monat fanden Dawn Raids der europäischen Kommission bei Unternehmen der Zucker- bzw. der Öl- und Biospritindustrie statt. Im Juni standen Transportunternehmen im Fokus. Zu guter Letzt durchsuchte die Kommission im Juli drei große Telekommunikationsunternehmen wegen deren Preisgestaltung beim Internetzugang. Die Regelmäßigkeit und Bandbreite der Durchsuchungen zeigt, dass Unternehmen aller Branchen jederzeit mit Durchsuchungen der Kartellbehörden rechnen müssen und deshalb entsprechend vorbereitet sein sollten.
Europäische Kommission veröffentlicht Vorschläge zu kartellrechtlichen Schadensersatzklagen
Die EU-Kommission hat am 11. 6. 2013 ihr lang erwartetes Vorschlagspaket zu kartellrechtlichen Schadensersatzklagen vor nationalen Gerichten veröffentlicht. Das Paket besteht aus einem Richtlinienvorschlag zu Schadensersatzklagen sowie jeweils dem Entwurf einer Empfehlung zu kollektiven Rechtschutzverfahren und einer Empfehlung zur Ermittlung des Schadensumfangs.
Derzeit sind insbesondere vor nationalen Gerichten in Deutschland und Großbritannien zahlreiche kartellrechtliche Schadensersatzklagen anhängig, die auf Basis der geltenden nationalen Regeln entschieden werden. Die Geschädigten können dementsprechend nicht auf einheitliche Regelungen vertrauen, da zwischen den einzelstaatlichen Regelungen der Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede bestehen.
8. GWB-Novelle: Kompromiss in letzter Minute
Dank eines im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat in letzter Minute gefundenen Kompromisses kann die 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten. Nach Referentenentwurf 2011, RegE Anfang 2012, Ausschussberatung und Bundestagsbeschluss im Oktober 2012 entzündeten sich die Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierungskoalition und SPD/GRÜNEN-regierten Ländern im Bundesrat vor allem an den Plänen, das Kartellrecht ganz weitgehend auf die gesetzlichen Krankenkassen anzuwenden. Nun kommt für die Kassen nur die Fusionskontrolle. Das Kartellrecht dagegen wird auch zukünftig nicht im Verhältnis der Krankenkassen untereinander und zu den Versicherten Anwendung finden. Weitere Änderungen in letzter Minute können Kommunen und kommunale Betriebe aufatmen lassen.
Vertrauen auf Rechtsrat im europäischen Kartellrecht
Das europäische Kartellrecht ist komplex. Ob eine bestimmte Verhaltensweise zulässig oder unzulässig ist, lässt sich nicht immer leicht abschätzen. Verstößt ein Unternehmen gegen das europäische Kartellverbot, drohen hohe Bußgelder. Ob ein solcher Verstoß vorliegt, müssen die Unternehmen selbst prüfen und beurteilen („Selbsteinschätzung“). Dies ist nicht überraschend, sondern gilt seit jeher bei jeder „normalen“ Rechtsnorm. Im Kartellrecht war es früher aber anders. Denn bis zum 1. 5. 2004 konnten wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen bei der Europäischen Kommission angemeldet werden. Seitdem gilt jedoch das Prinzip des Genehmigungsvorbehalts nicht mehr, sondern das Prinzip der Legalausnahme, also die Selbsteinschätzung.
Bei schwierigen Zweifelsfragen liegt es für Unternehmen deshalb nahe, fachkundigen Rechtsrat einzuholen. Dies führt zu der Frage, ob eine Kartellbehörde ein Bußgeld gegen das Unternehmen verhängen darf, wenn es auf einen Rechtsrat vertraut hat, der sich später als unzutreffend herausgestellt hat. Darum geht es im Vorabentscheidungsersuchen des österreichischen OGH im Fall Schenker, in dem die Generalanwältin Kokott am 28. 2. 2013 – Rs. C-681/11 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ihre Schlussanträge vorgelegt hat. Abzuwarten bleibt die Entscheidung des EuGH. Das Gericht folgt indessen häufig den Schlussanträgen der Generalanwälte.