„Erforderliche Überstunden sind mit dem Monatsgehalt abgegolten“ – so oder so ähnlich steht es in tausenden Arbeitsverträgen. Das Risiko, gleichwohl zur Zahlung von Überstunden verpflichtet zu sein, vermeiden Arbeitgeber dadurch nicht. Dies ist keine neue Erkenntnis. Denn das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bereits vor einiger Zeit entschieden, Klauseln zur Pauschalabgeltung von Überstunden seien unwirksam (BAG, Urteil vom 1.9.2010 – 5 AZR 517/09, DB 2011 S. 61). Zwei jüngere Entscheidungen des höchsten deutschen Arbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, DB 2012 S. 1932; BAG, Urteil vom 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, DB 2011 S. 2550) bestätigen diese Rechtsprechung, bringen aber zugleich Klarheit in einige Fragen, welche die Praxis bis vor Kurzem vor praktische Probleme beim arbeitsrechtlichen Dauerbrenner „Überstundenabgeltung“ stellte.
In den entschiedenen Fällen klagten zwei Arbeitnehmer – einerseits ein Lagerarbeiter, andererseits ein angestellter Rechtsanwalt – auf Bezahlung geleisteter Überstunden. Der Lagerarbeiter bekann Recht und fast 10.000 Euro brutto als Überstundenabgeltung. Die Klage des Rechtsanwalts auf Zahlung von 39.362 Euro brutto blieb hingegen erfolglos. Dies obgleich in beiden Arbeitsverträgen eine unwirksame Klausel zur Pauschalabgeltung von Überstunden enthalten war.
Pauschalabgeltung von Überstunden unwirksam
Das BAG betont in beiden Entscheidungen aus den Jahren 2011 und 2012 zunächst nochmals die Unwirksamkeit von Klauseln, aufgrund derer Arbeitgeber pauschal mit dem Grundgehalt sämtliche Überstunden abgelten wollen. Solche Klauseln in Formularverträgen hielten einer Inhaltskontrolle nicht stand, soweit darin der zeitliche Umfang der abgegoltenen Mehrarbeitsstunden nicht erkennbar sei und der Arbeitnehmer deshalb bei Vertragsschluss nicht absehen könne, „was auf ihn zukommt“. Fehlt es wie bei der Pauschalabgeltung an einer wirksamen Vertragsabrede zur Regelung von Überstunden, bedeutet dies gleichwohl nicht zwingend eine Vergütungspflicht des Arbeitgebers. Denn einen Grundsatz des Inhalts, dass Überstunden immer und stets bei fehlender oder unwirksamer Klausel im Arbeitsvertrag zu vergüten sind, gibt es nicht. Nach der Rechtsprechung besteht ein Vergütungsanspruch nur dann, wenn die Ableistung von Überstunden nur gegen Vergütung zu erwarten ist (§ 612 Abs. 1 BGB). Ob im Einzelfall eine solche Vergütungserwartung besteht, bestimmt sich nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Arbeitsleistung sowie der Stellung des Arbeitnehmers.
Kein Anspruch auf Überstundenvergütung bei Besserverdienern
Eine solche Vergütungserwartung lehnt der 5. Senat des BAG bei Diensten höherer Art und einer deutlich herausgehobenen Vergütung des Arbeitnehmers ab. Im Fall des angestellten Rechtsanwalts mit einem monatlichen Bruttogehalt von 5.833 Euro sei eine zusätzliche Vergütung nicht, bei einem Lagerarbeiter mit gerade einmal 1.800 Euro brutto sehr wohl zu erwarten. Die Grenze zwischen „Besserverdiener“ und „Normalverdiener“, dessen Überstunden grundsätzlich auszugleichen sind, zieht das BAG bei der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. Arbeitnehmer, deren Entgelt die derzeit bei 67.200 Euro pro Jahr liegende Beitragsbemessungsgrenze überschreitet, dürfen nach Auffassung der Arbeitsrichter keine gesonderte Vergütung für Mehrarbeit erwarten.
Vertragsgestaltung
Etwas anderes gilt nur dann, wenn Arbeitsvertrag oder einschlägiger Tarifvertrag eine ausdrückliche Abgeltungspflicht vorsehen. Arbeitsvertragliche Klauseln müssen sich dabei am Transparenzgebot messen lassen. Neue Formularverträge sehen deshalb üblicherweise eine bestimmte oder bestimmbare Abgeltung von Überstunden vor, häufig im Umfang von 10% bis 25% der Arbeitszeit. Da sich das BAG zu der zulässigen Prozentgrenze bisher nicht geäußert hat, bleibt diese umstrittene Frage weiter spannend. Dennoch hat der Senat der Praxis mit seinen jüngsten Entscheidungen eine verlässliche Leitlinie an die Hand gegeben. Selbst bei unwirksamer Abgeltungsklausel im Arbeitsvertrag können Besserverdiener mit einem Gehalt von mehr 67.200 Euro jährlich keine zusätzliche Vergütung für geleistete Überstunden verlangen.
Dienstreisezeiten
Für diese Personengruppe ist damit auch die weiter umstrittene Frage der Bezahlung von Reisezeiten beantwortet. Soweit ihr Arbeitsvertrag – wie üblicherweise – keine Vergütungszahlung für Dienstreisezeiten vorsieht, sind diese nicht gesondert zu bezahlen. Bei „Normalverdienern“ muss die Praxis ebenso wie bei Überstunden für klare vertragliche Regelungen sorgen – sollen zugleich Überstunden pauschaliert vergütet werden, sollte der Gesamtumfang der abgegoltenen Überstunden und Dienstreiszeiten insgesamt 25% der regelmäßigen Arbeitszeit nicht überschreiten. Ansonsten droht Arbeitgebern wiederum, dass die Rechtsprechung die diese Grenze überschreitenden Abgeltungsklauseln in Arbeitsverträgen wegen unangemessener Benachteiligung kippen wird.