In der Praxis stellt sich – gerade in Zusammenhang mit der Bestimmung des equal pay-Begriffs bei sog. „CGZP-Fällen“ – die Frage, ob der von dem Personaldienstleister den überlassenen Zeitarbeitnehmern oftmals gewährte Aufwendungsersatz, z.B. Fahrgeld oder VMA, tatsächlich als Entgelt im engeren Sinne anzusehen ist. Bejahendenfalls würde dieser im Rahmen einer Vergleichsrechnung, ob eine Differenz zwischen der dem überlassenen Arbeitnehmer und der dem Stammbeschäftigten gewährten Vergütung besteht und – wenn ja – wie hoch diese ist, zu berücksichtigen sein.
Die DRV hat dazu in der Vergangenheit immer eine klare Meinung vertreten: „echter“ Aufwendungsersatz ist „herauszurechnen“ und folglich nicht anspruchserhöhend zu Gunsten des Zeitarbeitsunternehmens zu beachten. Rückendeckung bekam die Behörde von den Gerichten, höchstrichterlich dabei insbesondere vom BAG, das (bislang) in ständiger Rechtsprechung wie folgt judizierte (Urteil vom 13.03.2013 – 5 AZR 294/12):
„Die Berücksichtigung von Aufwendungsersatz beim Gesamtvergleich bemisst sich danach, ob damit – wenn auch in pauschalierter Form – ein dem Arbeitnehmer tatsächlich entstandener Aufwand, z.B. für Fahrt-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten, erstattet werden soll (echter Aufwendungsersatz) oder die Leistung Entgeltcharakter hat.
Echter Aufwendungsersatz ist kein Arbeitsentgelt. Er ist auch keine wesentliche Arbeitsbedingung i.S.v. § 10 Abs. 4 AÜG. Solche sind ausschließlich die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. f, i, ii RL genannten Regelungsgegenstände. Dazu gehört Aufwendungsersatz nicht.
Ob der Leiharbeitnehmer in entsprechender Anwendung des § 670 BGB gegen den Entleiher aufgrund der zwischen ihnen bestehenden Sonderbeziehung mit arbeitsrechtlichem Charakter einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen hat, die ihm infolge von Arbeitsanweisungen des Entleihers entstehen, ist nicht Streitgegenstand.
Soweit sich Aufwendungsersatz als „verschleiertes“ und damit steuerpflichtiges Arbeitsentgelt darstellt, ist er beim Gesamtvergleich der Entgelte zu berücksichtigen. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb im erneuten Berufungsverfahren – ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien – feststellen müssen, ob die vom Kläger in die Berechnung der Klageforderung einbezogenen Spesen und Fahrtkosten von der Entleiherin ihren Beschäftigten im Streitzeitraum steuerlich privilegiert gewährt wurden und, sollte dies der Fall gewesen sein, dabei Steuerrecht nicht verletzt wurde.“
Das LSG Niedersachsen-Bremen folgte dieser Ansicht hingegen nicht und rechnete den Aufwendungsersatz als Entgelt an (Urteil vom 15.06.2016 – L 2 R 148/15; dazu: Bissels, jurisPR-ArbR 34/2016 Anm. 5). Der Entscheidung lag dabei folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die klagende GmbH, die behördlich erlaubte Arbeitnehmerüberlassung betreibt, wendet sich gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungs- und Umlagebeiträgen durch die DRV nach der Feststellung der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP.
Auf die mit den beigeladenen Zeitarbeitnehmern vereinbarten Arbeitsverträge wandte die Klägerin die zwischen einem Arbeitgeberverband und der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge an. Der Beigeladene zu 1) wurde 2009 für insgesamt 853,50 Arbeitsstunden an die X GmbH als Schlosser überlassen und erhielt neben der vereinbarten Vergütung von 10,00 Euro/Stunde steuerfreie Zuschüsse für Verpflegungs- und Übernachtungsaufwendungen sowie Fahrtkosten von insgesamt 2.745,60 Euro. Bei der X GmbH beschäftigte Schlosser wurden 2009 mit einem Stundenlohn von 10,50 Eurovergütet. Den Beigeladenen zu 2), Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, überließ die Klägerin 2009 für 430 Arbeitsstunden an die Y GmbH. Hierfür wurde ihm ein Stundenlohn von anfänglich 10,00 Euro und später 10,50 Euro gewährt. Daneben bezog auch er entsprechende steuerfreie Zuschüsse von zusammen 1.632,40 Euro. Bei der Y GmbH beschäftigte Heizungsinstallateure erhielten 2009 einen Stundenlohn von 13,91 Euro.
Nach der arbeitsgerichtlichen Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP forderte die DRV aufgrund einer Betriebsprüfung weitere Gesamtsozialversicherungs- und Umlagebeiträge für die Zeit vor dem 01.01.2010 in Höhe von 793,01 Euro. Aufgrund des unwirksamen CGZP‑Tarifvertrags ergebe sich unter Berücksichtigung der in den Kundenbetrieben an vergleichbare Stammarbeitnehmer zu zahlenden Stundenlöhne ein höherer Entgeltanspruch für die Beigeladenen zu 1) und 2).
Das SG Hannover hat die Klage des Personaldienstleisters gegen den Nachforderungsbescheid abgewiesen. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat das Urteil und die Verwaltungsentscheidungen der Beklagten aufgehoben. Das von der Klägerin gezahlte, der bisherigen Beitragsbemessung zugrunde gelegte Arbeitsentgelt habe die vom jeweiligen Kunden für vergleichbare Arbeitnehmer gewährte Vergütung nicht unterschritten. Die im AÜG geregelte Gleichstellung der Zeitarbeitnehmer mit Stammbeschäftigten des Entleihers (sog. equal pay) gebiete einen wirtschaftlichen Vergleich der vom Personaldienstleister und dem Kunden jeweils insgesamt erbrachten Leistungen. Auch echter Aufwendungsersatz sei in den Entgeltvergleich einzustellen. Allein die an die Beigeladenen zu 1) und 2) erbrachten Zuschüsse für Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten würden den durch den geringeren Stundenlohn bedingten wirtschaftlichen Nachteil bei weitem ausgleichen.
Mit der beim BSG anhängigen Revision rügt die DRV eine Verletzung des § 10 Abs. 4 AÜG a.F. „Echter Aufwendungsersatz“ sei nach der Rechtsprechung des BAG und des BSG kein im Rahmen des Gesamtvergleichs zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt.
Am 18.01.2017 hat das BSG (Az. B 12 R 3/16 R) die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen auf die Revision der DRV aufgehoben und die Berufung des Personaldienstleisters gegen das klageabweisende Urteil des SG Hannover zurückgewiesen.
Dabei stützt sich das BSG nach dem inzwischen veröffentlichten Terminbericht auf folgende Erwägungen:
„Die Beitragsbemessung ist weder formal noch in der Sache zu beanstanden. Nach dem seit 01.01.2003 geltenden Recht der Arbeitnehmerüberlassung sind Verleiher im Grundsatz verpflichtet, Leiharbeitnehmern für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (sog. Grundsatz des equal pay). Beitragspflichtig im Sinne des Entstehungsprinzips ist damit das von der Klägerin den beigeladenen Leiharbeitnehmern für die Zeit der Überlassung geschuldete, im Betrieb des jeweiligen Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer vorgesehene Arbeitsentgelt von 10,50 Euro bzw. 13,91 Euro je Stunde anstatt der gezahlten 10,00 Euro bzw. 10,50 Euro. Ein zur Abweichung von dieser Gleichstellung berechtigender Tarifvertrag besteht angesichts der arbeitsgerichtlich festgestellten Tarifunfähigkeit der CGZP und der damit einhergehenden Unwirksamkeit der den Arbeitsverhältnissen zwischen der Klägerin und den beigeladenen Leiharbeitnehmern zugrunde gelegten Tarifverträge nicht. Die von der Klägerin darüber hinaus geleisteten Zuschüsse für Verpflegungsmehr- und Übernachtungsaufwendungen sowie Fahrtkosten sind nicht als weiteres Arbeitsentgelt auf den tatsächlich geleisteten Lohn erhöhend anzurechnen. Hierbei handelt es sich nicht um Gegenleistungen des Arbeitgebers für erbrachte Arbeit, die beim Arbeitnehmer zu einem Vermögenszuwachs geführt haben. Die Zuschüsse kompensieren vielmehr als echter Aufwendungsersatz im Interesse des Verleihers getätigte Aufwendungen, die (nur) dadurch entstanden sind, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung nicht in dessen, sondern auswärts im Betrieb der Entleiher verrichten mussten. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Aufwendungsersatz um verschleiertes Arbeitsentgelt gehandelt haben könnte, sind nicht erkennbar. Auch die festgesetzte Beitragshöhe verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.“
Im Ergebnis hat das BSG damit die bisher herrschende Meinung bestätigt, dass ein „echter Aufwendungsersatz“ im Rahmen der Vergleichsberechnung von equal pay nicht zu berücksichtigen und folglich nicht zugunsten des Personaldienstleisters auf der „Habenseite“ bei der Bestimmung des von ihm an den Zeitarbeitnehmer gewährten Entgelts „gutzuschreiben“ ist. Das Urteil des BSG hat dabei nicht nur Auswirkungen auf die „CGZP-Fälle“ und damit die Zeitarbeitsunternehmen, die in der Vergangenheit die entsprechenden Tarifverträge angewendet haben. Vielmehr hat die Entscheidung aus Kassel auch höchst aktuelle Konsequenzen – und zwar auf die gesamte Branche.
Nach der AÜG-Reform 2017 ist der equal pay-Grundsatz prinzipiell nur noch bis zum Ablauf des 9. Einsatzmonats bei einem Kunden abdingbar (Ausnahme: Einschlägigkeit von Branchenzuschlagstarifverträgen, vgl. § 8 Abs. 4 S. 1, 2 AÜG). Die Frage, wie equal pay „richtig“ zu berechnen ist, beschränkt sich damit nicht (mehr) nur auf die (damaligen) Anwender der CGZP-Tarifverträge, sondern betrifft jeden Dienstleister, der – ohne einen Branchenzuschlagstarifvertrag anwenden zu können – seine Mitarbeiter über den 9. Monat hinaus an dessen Kunden überlässt. Auch in diesem Zusammenhang wäre es für das Zeitarbeitsunternehmen günstig gewesen, wenn im Rahmen der Vergleichsrechnung ein gewährter Aufwendungsersatz zu Gunsten des eingesetzten Mitarbeiters erhöhend gewirkt hätte, um eine (im Zweifel bestehende) Entgeltdifferenz im Verhältnis zu der Vergütung eines vergleichbaren Stammbeschäftigten zu verringern. Dieser Möglichkeit hat das BSG nun eine Absage erteilt. Die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen konnte Kassel bedauerlicherweise nicht zu überzeugen.
Im Ergebnis wird daher ein vom Zeitarbeitsunternehmen gewährter „echter Aufwendungsersatz“ bei der Bestimmung von equal pay keine Rolle spielen können. Dies gilt für die „CGZP-Fälle“ aus der Vergangenheit gleichermaßen wie für die gegenwärtig geführte Diskussion zur richtigen Berechnung von equal pay in der Gegenwart bzw. Zukunft.
Am Rande erwähnt das BSG in dem Terminbericht auch, dass sich die Beitragspflicht von equal pay-Ansprüchen nach dem Entstehungsprinzip richten solle. Dies wurde zuletzt vom LSG Baden-Württemberg – ebenfalls in einem CGZP-Verfahren – in Abrede gestellt und stattdessen das Zuflussprinzip als einschlägig angesehen (Urteil vom 27.06.2017 – L 11 R 643/17). Ohne darauf vertieft einzugehen, scheint das BSG allerdings in diesem Zusammenhang am Entstehungsprinzip festhalten zu wollen. Hier bleiben zunächst die vollständig abgesetzten Gründe abzuwarten, über die wir selbstverständlich berichten werden, sobald diese vorliegen.