Das ArbG Düsseldorf hat mit Urteil vom 20.04.2015 (Az. 5 Ca 1675/15) entschieden, dass ein Leistungsbonus auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden kann. Bisher liegt zwar nur eine Pressemitteilung zu dem Urteil vor. Dennoch ist die Botschaft für Arbeitgeber erfreulich, denn das ArbG Düsseldorf lässt erkennen, dass nicht lediglich solche Entgeltbestandteile auf den Mindestlohn angerechnet werden können, die die „Normalleistung“ vergüten sollen, sondern sämtliche Zahlungen, die in einem Zusammenhang mit der erbrachten Arbeitsleistungen stehen.
Arbeitnehmerin klagte auf Mindestlohn unter Zahlung des Leistungsbonus „on top“
Die Klägerin erhielt vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohns 8,10 € brutto/Stunde. Weiterhin wurde nach einer im Betrieb der Arbeitgeberin bestehenden Bonusregelung ein „freiwilliger Brutto/Leistungsbonus von maximal 1,00 €“ pro Stunde gewährt. Die Klägerin machte geltend, dass ihr aufgrund des MiLoG ein fixer Stundenlohn i.H.v. 8,50 € brutto zu zahlen sei; der Bonus i.H.v. 1,00 € brutto/Stunde komme noch „on top“. Die Arbeitgeberin hatte ihr gegenüber zuvor mitgeteilt, die Grundvergütung betrage – auch nach der Einführung des MiLoG – weiterhin 8,10 € brutto/Stunde, jedoch würden 0,40 € des Leistungsbonus für jede gearbeitete Stunde fix ausgezahlt, sodass „unterm Strich“ jede gearbeitete Stunde mit 8,50 € (zzgl. bis max. 0,60 € brutto pro Stunde) vergütet werde.
Anrechenbarkeit von Leistungen auf den Mindestlohn
Die Klägerin stützte ihre Klage vermutlich auf das bisher weit verbreitete, aber abzulehnende Argument, dass mit dem gesetzlichen Mindestlohn stets nur die „Normalleistung“ des Arbeitnehmers zu vergüten ist. Diese Annahme führt dazu, dass insbesondere Zulagen und Zuschläge für Tätigkeiten, die unter erschwerten Bedingungen (Nacht- oder Sonntagsarbeit etc.) erbracht werden, grundsätzlich nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden können, sondern zusätzlich zu der Grundvergütung i.H.v. 8,50 € zu gewähren sind (zurecht ablehnend: Franzen, in: Erfurter Kommentar, § 1 Rn. 14).
Entscheidung des ArbG Düsseldorf geht in die richtige Richtung
Das ArbG Düsseldorf hat – soweit aus der Pressemitteilung ersichtlich – nicht auf die Normalleistung als Bezugsgröße für den Mindestlohn abgestellt. Vielmehr ist nach seiner Ansicht jede arbeitgeberseitige Zahlung, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu der vom Arbeitnehmer erbrachten Leistung (sei es die Normalleistung oder eine darüber hinausgehende) steht, auf den Mindestlohn anrechenbar. Es kommt damit allein auf das Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung an. Daher könne auch ein Leistungsbonus, der einen unmittelbaren Bezug zur erbrachten Arbeitsleistung aufweise, auf den Mindestlohn angerechnet werden. Nicht anrechenbar sind nach Auffassung des ArbG Düsseldorf hingegen vermögenswirksame Leistungen, da diese keinen unmittelbaren Bezug zur Tätigkeit des Arbeitnehmers hätten. Hiermit würde auch dem Zweck des MiLoG – nämlich durch das eigene Einkommen einen angemessenen Lebensunterhalt sicherzustellen – Rechnung getragen.
ArbG Berlin: Sonderleistungen sind auf den Mindestlohn nicht anrechenbar
Das ArbG Berlin hat hingegen erst am 04.03.2015 (Az. 54 Ca 14420/14, vgl. Pressemitteilung des Gerichts) entschieden, dass die Änderungskündigung zur „Kürzung“ des Entgelts auf den gesetzlichen Mindestlohn einer Arbeitnehmerin, die eine Grundvergütung von 6,44 € brutto pro Stunde zzgl. eines Schichtzuschlags, einer Leistungszulage sowie Urlaubsgeld und einer nach Betriebszugehörigkeit gestaffelten Jahressonderzahlung erhielt, sozial nicht gerechtfertigt sein soll. Das ArbG Berlin vertrat die Ansicht, dass der Arbeitnehmerin 8,50 € brutto/Stunde zzgl. der vorgenannten Sonderleistungen zu zahlen sei, da der gesetzliche Mindestlohn nur die „Normalleistung“ vergüten solle. Eine Anrechnung von Sonderleistungen komme folglich nicht in Betracht.
Praxisfolgen
Für Arbeitgeber ist die Entscheidung des ArbG Düsseldorf daher ein erfreulicher Schritt in die richtige Richtung. Auf Grundlage des Urteils können Unternehmen nunmehr mit guten Argumenten die Anrechnung von Leistungsboni und sonstigen Sonderzahlungen, die einen Ausgleich für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeit darstellen, auf den Mindestlohn rechtfertigen. Dabei muss jedoch stets gewährleistet sein, dass die entsprechenden Leistungen in dem vom MiLoG vorgeschriebenen Fälligkeitszeitraum (vgl. § 2 MiLoG) gezahlt werden. Dies gilt insbesondere bei Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Jahresboni. Arbeitgeber können daher ihre Bonusmodelle – unter Einhaltung betriebsverfassungsrechtlicher und gesetzlicher Vorgaben – so (um-)gestalten, dass sie die Vorgaben des Mindestlohns erfüllen, ohne „draufzuzahlen“, z.B. indem diese nicht einmal jährlich, sondern – ggf. als Vorschuss – anteilig bereits monatlich gewährt werden.
Nur eine Frage der Zeit, bis das BAG sich mit dem MiLoG befasst
Es bleibt abzuwarten, ob die Klägerin gegen das Urteil Berufung einlegt und wie ggf. das LAG Düsseldorf die Anrechenbarkeit des Leistungsbonus beurteilt. Seit Einführung des MiLoG haben sich schon mehrere erstinstanzliche Gerichte mit Fragen rund um den gesetzlichen Mindestlohn befasst und das neue Gesetz dabei teilweise deutlich kritisiert (vgl. ArbG Berlin vom 17.04.2015 – 28 Ca 2405/15, siehe Pressemitteilung). Es scheint daher nur noch eine Frage der Zeit, bis das MiLoG beim BAG anlanden wird.