Am 18.09.2019 hat das Bundeskabinett über das sog. Paketboten-Schutz-Gesetz beschlossen. Dieses soll für Unternehmen der KEP-Branche (Kurier-, Express- und Paketdienste), die Subunternehmer mit der Zustellung von Paketen beauftragen, verschärfte Haftungsregelungen vorsehen, um zukünftig die mit der Paketzustellung betrauten Arbeitnehmer der Subunternehmer besser zu schützen.
Hintergründe für das neue Gesetz
Im Februar 2019 hatte es eine großangelegte Untersuchung („Razzia“) durch den Zoll gegeben, bei der nach den Berichten des Zolls und den Ausführungen von Arbeitsminister Hubertus Heil erhebliche Missstände bis hin zu „kriminellen Strukturen“ in der Branche festgestellt worden sein sollen. Durch das neue Gesetz will die Bundesregierung auf die – aufgrund des stetig wachsenden Online-Handels – verstärkt zunehmende Beschäftigung von Paketzustellern reagieren, für die nach den Erkenntnissen der Bundesregierung oftmals schlechte Beschäftigungsbedingungen herrschen. Die Bundesregierung geht dabei davon aus, der Arbeitsmarkt in der Paketbranche sei „zweigeteilt“: Auf der einen Seite stünden die Unternehmen, die eigene Arbeitnehmer in festen Arbeitsverhältnissen beschäftigen und für diese die entsprechenden Mindestlöhne zahlen und Sozialversicherungsbeiträge abführen. Auf der anderen Seite stünden die Unternehmen, die faktisch ausschließlich als Subunternehmer von den großen Zustellern beauftragt würden und deren Mitarbeiter oftmals zu schlechten Arbeitsbedingungen beschäftigt würden. Bei der zweiten Gruppe seien Verstöße gegen den Mindestlohn und die Pflicht zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge weit verbreitet. Als Hauptproblem sieht die Bundesregierung dabei Verstöße gegen die Pflicht zur Abführung der korrekten Sozialversicherungsbeiträge durch die Subunternehmer an. Interessant ist, dass in der Gesetzesbegründung davon ausgegangen wird, dass gerade die großen Auftraggeber der ersten Gruppe durch ihre aggressive Preispolitik die Ursache dafür setzen, dass es in der zweiten Gruppe der Unternehmen einen verbreiteten Missstand und -brauch gibt.
Vorbild ist die Nachunternehmerhaftung in der Baubranche und der Fleischwirtschaft
Die Idee der Nachunternehmerhaftung ist nicht neu. Ausweislich der Gesetzesbegründung orientiert sich die Bundesregierung ganz bewusst an den Regelungen, die bereits seit längerer Zeit in der Baubranche (seit 2002) und der Fleischwirtschaft (seit 2017) bestehen, da sich diese Regelungen bewährt hätten.
Nun soll die Haftung der Auftraggeber der KEP-Branche zukünftig ebenfalls um die Nachunternehmerhaftung erweitert werden. Von den Regelungen erfasst sind Unternehmen der Speditions-, Transport- und damit verbundener Logistikgewerbe, die im Bereich der Kurier-, Express-, und Paketdienste tätig sind und die einen anderen Unternehmer mit der Beförderung von Paketen beauftragen. Auf die Größe der zu befördernden Pakete kommt es dabei nicht an.
Kern der Nachunternehmer ist der folgende: Der Auftraggeber haftet als sog. Generalunternehmer, wenn er Subunternehmer damit beauftragt, die eigentlich von ihm geschuldeten Tätigkeiten auszuführen und seine Subunternehmer für die Beschäftigung ihrer Arbeitnehmer keine oder aber zu geringe Sozialversicherungsbeiträge abführen. In diesem Fall tritt die sog. gesamtschuldnerische Haftung ein: Danach haftet Generalunternehmer zunächst auf die volle Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge. Für den Generalunternehmer ist es damit von entscheidender Bedeutung, dass die von ihm beauftragten Subunternehmer die Sozialversicherungsbeiträge stets in der richtigen Höhe abführen und auch sonst die zuverlässig sind, wenn es um die Zahlung der Löhne an ihre Mitarbeiter geht.
Praktische Umsetzung und to do’s für Unternehmen der KEP-Branche
Fraglich und schwierig ist die Frage, wie die KEP-Unternehmen ihre Subunternehmer zukünftig kontrollieren wollen. Auch hier rekrutiert der Gesetzesentwurf ausdrücklich auf die in der Fleischwirtschaft und Baubranche bestehenden Regelungen.
So sollen sich die Auftraggeber der KEP-Branche zukünftig über eine sog. Unbedenklichkeitsbescheinigung im Einzelfall und individuell entlasten können, wenn sie nachweisen können, dass sie unverschuldet davon ausgehen konnten, dass die von ihnen beauftragten Subunternehmer ihre Zahlungspflichten erfüllt haben. Zudem soll die Nachunternehmerhaftung entfallen, wenn der Auftraggeber Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit seines Subunternehmers durch eine sog. Präqualifikation nachweist. Darunter ist – entsprechend den Nachweisen in der Baubranche und der Fleischwirtschaft – eine in wettbewerbliche Eignungsprüfung zu verstehen, bei der potentielle Subunternehmer nach speziellen Vorgaben unabhängig von einer konkreten Ausschreibung ihre Fachkunde und Leistungsfähigkeit vorab nachweisen und belegen können.
Die Unternehmen der Branche sollten sich rechtzeitig um die entsprechenden Nachweise kümmern und sich insofern vorbereiten, indem sämtliche Unterlagen (insbesondere solche über die richtige Anmeldung der Mitarbeiter, die Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge etc.) bereitgehalten werden.
Enormer Verwaltungsaufwand für Unternehmen und Krankenkassen
Nach den Schätzungen der Bundesregierung sind rund 8.000 Unternehmen in der KEP-Branche betroffen, von denen rund 80% als Subunternehmer tätig sind. Sämtliche Unternehmen müssen zukünftig für die rund 240.000 in der Branche tätigen Arbeitnehmer differenzierte Entgeltunterlagen führen, um somit konkret nachweisen zu können, für welchen Mitarbeiter welche Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden. Die von der Bundesregierung vorgenommene Schätzung eines Aufwandes von ca. 5 Minuten pro Monat pro Mitarbeiter dürfte dabei eher optimistisch sein. Die Bundesregierung geht aufgrund ihrer Berechnungen von einer finanziellen Mehrbelastung der Unternehmen i.H.v. ca. 7,1 Mio. Euro aus.
Die Unbedenklichkeitsbescheinigung müsste von den Subunternehmern für jedes Quartal neu beantragt werden, so dass sich – nach Schätzungen der Bundesregierung – ca. 102.400 Fälle pro Jahr ergeben würden, die von den Krankenkassen bearbeitet werden müssten.
Ausblick
Das Gesetz soll zunächst nur befristet eingeführt und regelmäßig evaluiert werden. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass dieses zeitnah durch den Bundestag verabschiedet wird, damit die neuen Schutzvorschriften möglichst noch vor dem Weihnachtsgeschäft greifen.