Versorgungszusage – Störung der Geschäftsgrundlage

RA, FA ArbR, Solicitor Tobias Neufeld, LL.M., ARQIS Rechtsanwälte, Düsseldorf

Die Revolution blieb aus – Arbeitgeber kommen nicht ohne Weiteres aus zu teuren Pensionszusagen heraus. Das BAG lässt auch exponentiell gestiegene Pensionsrückstellungen nicht als Ausweg gelten.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 8. Dezember 2020 entschieden, dass Arbeitgeber in Pensionszusagen versprochene Leistungserhöhungen (Anknüpfung an Tarifgehaltserhöhungen) nicht unter Berufung auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) beenden können. Selbst eine Rückstellungserhöhung von mehr als 40 Prozent in vier Jahren und die Verdopplung des Barwerts der Zusage, seit Erteilung rechtfertigen keinen Ausstieg des Arbeitgebers aus der versprochenen Anpassung. Im Vorfeld hatten einige Beobachter aufgrund eines Urteils aus Mai 2020 gehofft, das BAG würde Arbeitgebern, die unter der seit 2010 geänderten handelsbilanziellen Bewertung von Pensionszusagen durch das BilMoG sowie der anhaltenden Niedrigzinsphase leiden, mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage einen Rettungsring zur Korrektur zu teurer Pensionssysteme zuwerfen. » weiterlesen

Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts: Keine Zeit zur Diskussion und viele Fragen offen

RA Jörn Weitzmann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV)

In der Vergangenheit haben einige in der Restrukturierung befindliche Unternehmen unter Geltung des englischen Scheme of Arrangement Akkordstörer wieder in die Linie gestellt. Auch in Deutschland wurde der Ruf nach entsprechenden Regeln laut. Disstressed Debt, Loan to own, Hold out Value-Investoren haben nicht nur eine Änderung der Finanzierungsstruktur, sondern auch der Verhandlungskultur bewirkt. So werden neue Instrumente gefordert, um das Verhandlungsgleichgewicht wiederherzustellen und eigensinniges Verhalten zurückzudrängen. » weiterlesen

Frauenquote 2.0: Koalition einigt sich auf Verschärfung des Führungspositionen-Gesetzes

RAin Kathrin Weinbeck, Rödl & Partner, Regensburg

Um den Anteil der Frauen in Führungspositionen zu steigern, schuf der Gesetzgeber im Jahr 2015 mit dem Führungspositionen-Gesetz (FüPoG) erstmals Vorgaben für die geschlechterbezogene Besetzung von Führungs- und Überwachungsgremien bestimmter Unternehmen. Seit dem 1. Januar 2016 müssen Gesellschaften, die sowohl börsennotiert als auch mitbestimmt sind, bei der Neubesetzung von Aufsichtsratsposten eine geschlechterspezifische Quote von 30% berücksichtigen. Gesellschaften, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind, müssen nach dem FüPoG lediglich Zielgrößen für den Frauenanteil in Aufsichtsrat, Vorstand und den ersten beiden Führungsebenen festlegen, ohne dabei harte Sanktionen befürchten zu müssen. » weiterlesen

LAG Hamburg gewährt dem Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Personalbemessungszahlen/Personalschlüsseln

RA/FAArbR Bernd Weller, Partner bei HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK, Frankfurt/M.

LAG Hamburg, Beschluss vom 16. Juli 2020 – 8 TaBV 8/19

Nach einer Entscheidung des LAG Hamburg steht dem Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Personalschlüsseln – zur Vermeidung einer ansonsten gesundheitsgefährdenden Überlastung des Personals – zu. » weiterlesen

Reform des Rechts der Personengesellschaften: Referentenentwurf vorgelegt

Vorige Woche wurde der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) veröffentlicht. Damit kommt Bewegung in das Vorhaben, welches im Mai 2020 mit dem sog. „Mauracher Entwurf“ die Frühetappe bewältigte. Dieser Gesetzesvorschlag einer vom BMJV eingesetzten Expertenkommission ist im Ministerium aufgegriffen und jetzt zu einem förmlichen Entwurf fortgeschrieben worden. Die Anhörung der Verbände und Interessengruppen läuft bis Mitte Dezember. Im ersten Quartal des neuen Jahres ist dann mit einem Regierungsentwurf zu rechnen und die Reform kann im Wahljahr 2021 noch parlamentarisch abgeschlossen werden.

In der Sache bewegt sich der Referentenentwurf erwartungsgemäß in den von der offiziellen Expertenkommission vorgezeichneten Bahnen. Eine Abweichung fällt jedoch auf. » weiterlesen

Transfergesellschaften – ein Mittel zur sozialverträglichen Personalanpassung

RA/FAArbR Dr. Markus Diepold, Partner bei Dentons Europe LLP

Transfergesellschaften sind nicht nur arbeitsmarktpolitisch ein sinnvolles Instrument. Sie sind auch für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein äußert sinnvolles Mittel, um eine Personalanpassung sozialverträglich und in der Regel schnell und rechtssicher umzusetzen. » weiterlesen

Kurzarbeitergeld: Auswirkungen von Einmalzahlungen und Urlaub

RA Thomas Köllmann, Küttner Rechtsanwälte, Köln

In der herannahenden Weihnachtszeit stellt sich mehr als sonst die Frage nach den Auswirkungen von Einmalzahlungen (Weihnachts-, Urlaubsgeld) sowie der Gewährung von Erholungsurlaub auf den Anspruch auf Kurzarbeitergeld (KUG). Aus Sicht des Arbeitgebers geht es dabei nicht nur um den individuellen Anspruch des jeweiligen Beschäftigten, sondern vor allem um die Erfüllung der generellen (Bezugs-)Voraussetzungen. Während einmalige Sonderzahlungen grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, können längere Urlaubszeiträume mitunter Risiken bezüglich der Anspruchsvoraussetzungen bergen.

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Auch im Jahr 2021: virtuelle Hauptversammlungen

Es wird auch im Jahr 2021 virtuelle Hauptversammlungen (VHV) geben. Gestern wurde im Kabinett eine Rechtsverordnung beschlossen, welche die Anwendung des entsprechenden COVID19-Maßnahmengesetzes bis zum 31.12.2021 verlängert. Damit haben Aktiengesellschaften, die ihre Hauptversammlung  in den ersten Monaten des kommenden Jahres  haben, genügend Planungssicherheit. Es wäre auch nicht vorstellbar, in ein paar Monaten mehrere tausend Aktionäre in einer Halle zu versammeln. So kommt es 2021 wieder zu einer HV „ohne physische Präsenz der Aktionäre“ (§ 1 Abs. 2 S. 1 COVID19-MaßnahmenG). Indessen ist auch deren virtuelle Präsenz nicht gewährleistet – außer beim Stimmrecht via sog. Briefwahl. Antrags- und Auskunftsrechte sind beschnitten. Das ist in der vergangenen HV-Saison auf zum Teil harsche Kritik gestoßen, da Aktionärsvereinigungen und manche Investoren kein Forum mehr fanden, um sich Gehör zu verschaffen.

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Schöne neue Arbeitswelt: Leistungskontrolle versus Persönlichkeitsrechte

RA/FAArbR Dr. Christoph Kurzböck, Rödl & Partner, Nürnberg

Ein aktueller Bericht des Open Markets Institute mit dem Titel „Eyes Everywhere: Amazon’s Surveillance Infrastructure and Revitalizing Worker Power“ bietet bizarre Einblicke in die bereits vielfach kritisierten Arbeitsbedingungen bei Amazon in den USA. Danach kommen unter anderem lückenlose Videoüberwachungen und analytische technische Messungen der Arbeitsleistung der Mitarbeiter zum Einsatz, teilweise um Diebstähle zu verhindern, aber vor allem, um die Leistung der Mitarbeiter zu kontrollieren. Die deutschen Datenschutzbehörden machen bei ähnlich gelagerten Fällen in Deutschland dagegen durchaus ernst, wie das jüngst gegen den Modehändler Hennes & Mauritz (H&M) erlassene Bußgeld in Millionenhöhe zeigt. » weiterlesen

Karwendelbahn und die verspätete HV-Tagesordnung

Im Streit unter Aktionären spielt oft eine Rolle, wer wann eine Hauptversammlung einberufen kann und mit welchen Gegenständen der Tagesordnung. Das hochformalisierte Verfahren ist tückisch für beide Seiten. Ein illustrer Sachverhalt liegt einem neuen BGH-Urteil zugrunde (v. 14.7.2020, II ZR 255/18). Es handelt sich um die Karwendelbahn AG, Deutschlands zweithöchste Bergbahn in Mittenwald. Der größte Aktionär mit fast der Hälfte der Stückaktien ist die Konsortium AG, der zweitgrößte Aktionär mit knapp einem Drittel ist die bayerische Gemeinde Markt Mittenwald. Beide liefern sich seit Jahren erbitterte Auseinandersetzungen, deren Hintergrund für Außenstehende schwer zu erfassen ist (s. hier). Im Juni 2016 hat die Großaktionärin Konsortium AG die Einberufung einer Hauptversammlung verlangt, der Vorstand kam diesem Verlangen nach und berief die HV auf Ende Juli ein. Die Gemeinde Mittenwald beantragte noch im Juni die Ergänzung der Tagesordnung um die Beschlussfassung über Sonderprüfungen. Dieses Verlangen behandelte der Vorstand nicht, weshalb die Gemeinde eine gerichtliche Ermächtigung erwirkte, den Gegenstand bekanntzumachen (§ 122 Abs. 3 S. 1 AktG). Dies geschah am 25.7.2016 im Bundesanzeiger. Allerdings musste am selben Tag (!) auch die Anmeldung zur HV bei der AG eingegangen sein. » weiterlesen