EuGH exportiert die deutsche Mitbestimmung in das Ausland

Prof. Dr. Gerrit Forst LL.M. (Cambridge) ist Rechtsanwalt und Partner bei KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare in Essen. Einer seiner Beratungsschwerpunkte ist die Mitbestimmung in der Europäischen Aktiengesellschaft.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sein mit Spannung erwartetes Urteil (Aktenzeichen C-677/20) in der Rechtssache SAP gefällt. Damit stellt er die Weichen für die Mitbestimmung in Europäischen Aktiengesellschaften (SE) neu. Die Entscheidung weist dabei weit über den Einzelfall hinaus und wird voraussichtlich auch auf europäischer Ebene zu neuen Debatten über die Mitbestimmung führen. Mit dem Judiz aus Luxemburg findet der jahrelange Rechtsstreit zwischen dem Unternehmen und den Gewerkschaften IG Metall und ver.di über die Besetzung des Aufsichtsrats der Walldorfer Softwareschmiede ein vorläufiges Ende. » weiterlesen

Pay per View im Arbeitsverhältnis

RA Alexander von Chrzanowski (Fachanwalt für IT-Recht und Arbeitsrecht), Rödl & Partner, Jena

Wie stark kann ein Arbeitgeber das Erbringen der Arbeitsleistung selbst überprüfen und das Arbeitsverhältnis gar an diese Kontrolle knüpfen? In den Niederlanden widersetzte sich ein Arbeitnehmer erfolgreich innovativen Überwachungsforderungen seines Arbeitgebers, wie im Oktober 2022 das Gericht Zeeland-West Brabant entschied. » weiterlesen

Der DMA als Gamechanger für Big Tech: Es wird alles anders. Aber auch besser?

RA Dr. René Galle, Counsel, Allen & Overy

Nach einem Gesetzgebungsverfahren im Eiltempo tritt der Digital Markets Act (kurz: DMA) heute in Kraft. Nur sechs Monate später – am 2. Mai 2023 – wird er anwendbar. Dies bietet Anlass, sich Gedanken um dessen künftige Auswirkungen zu machen. Mit dem DMA sind grundlegende Änderungen verbunden, weshalb er das Potential eines Gamechanger für große Digitalunternehmen hat. Ob sich die Dinge damit insgesamt zum Besseren wenden, darf jedoch bezweifelt werden.

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Die Inflationsausgleichsprämie – Was ist arbeitsrechtlich zu beachten?

RA/FAArbR Thomas Ubber / RA Dr. Hendric Stolzenberg, Allen & Overy LLP, Frankfurt/M.

Die sogenannte Inflationsausgleichsprämie ist eines der Instrumentarien des dritten Entlastungspaketes. Mit diesen Instrumentarien möchte der Gesetzgeber einerseits die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskrieges abfedern und andererseits sicherstellen, dass die Inflation nicht zu dauerhaften Lohnerhöhungen führt. Solche dauerhaften Lohnerhöhungen würden ansonsten die Inflation weiter befeuern. Durch die Neueinfügung der Inflationsausgleichsprämie in § 3 Nr. 11c EStG soll es Arbeitgebern ermöglicht werden, (rückwirkend) in der Zeit vom 26.10.2022 bis zum 31.12.2024 bis zu 3.000 Euro steuer- und sozialleistungsfrei an ihre Arbeitnehmer zu zahlen. Damit jedoch die Leistung einer Inflationsausgleichsprämie keine unbeabsichtigten Folgen nach sich zieht, sind bei der Umsetzung gewisse Überlegungen und Vorkehrungen zu treffen. » weiterlesen

Work Life Balance oder gerechte Verteilung der Familienaufgaben? Ein kritischer Beitrag zum Vereinbarkeitsrichtlinienumsetzungsgesetz

RA Dr. Hans-Peter Löw leitet als Senior Counsel den Fachbereich Financial Services innerhalb der Praxisgruppe Arbeitsrecht bei DLA Piper in Frankfurt/M.

Im September hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben beschlossen. Der Entwurf erschöpft sich in Formalien, die Chance auf einen großen Wurf wurde vertan. Der nationale Gesetzgeber hat die Aufforderung der EU, eine gerechtere Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern auch durch eine Veränderung hinderlicher Rahmenbedingungen anzustreben, gar nicht erst angenommen. » weiterlesen

Hier ist Musik drin – Corona-Testpflicht an der Staatsoper

RA Thomas Köllmann, Küttner Rechtsanwälte, Köln

Die Corona-Pandemie beschäftigt die Arbeitsgerichte weiterhin in den unterschiedlichsten Facetten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit detaillierter Begründung zur Möglichkeit der Anordnung von Corona-Tests zur Umsetzung eines betrieblichen Hygienekonzepts positioniert (BAG 1. Juni 2022, 5 AZR 28/22). Die dortigen Ausführungen bieten wichtige Anhaltspunkte für die künftige Umsetzung. » weiterlesen

Der EuGH und der Urlaub in Deutschland – Fortsetzung einer unendlichen Geschichte

Eler von Bockelmann, RITTERSHAUS Rechtsanwälte, München.

Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, den ein Arbeitnehmer für ein bestimmtes Kalenderjahr erworben hat, verjährt nicht nach Ablauf einer Frist von drei Jahren, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch auch wahrzunehmen. Das hat der Gerichtshof der Europäischen Union in einem am 22.09.2022 veröffentlichten Urteil entschieden (Az.: C-120/21 LB). » weiterlesen

Kündigung von Mitarbeitern in der Insolvenz bzw. im Schutzschirmverfahren

RA/FAArbR Volker Serth, Kanzlei FPS, Frankfurt/M.

Erst vor kurzem haben der Toilettenpapierhersteller Hakle und die Schuhhandelskette Görtz Insolvenz angemeldet. Vor dem Hintergrund stark steigender Energiepreise und der inflationsbedingten Kaufzurückhaltung der Verbraucher, kann im Herbst bzw. Winter mit weiteren Unternehmensinsolvenzen gerechnet werden. Dabei stellt sich auch die Frage, was für arbeitsrechtliche Folgen ein Insolvenzverfahren bzw. das diesem vorgelagerte Schutzschirmverfahren für die Mitarbeiter dieser Unternehmen haben kann. Droht Mitarbeitern insolventer Unternehmen ein Verlust des Arbeitsplatzes? Inwieweit ist eine Kündigung in der Insolvenz überhaupt zulässig? » weiterlesen

Unionsrechtskonforme Arbeitszeiterfassung

Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Löwisch, Leiter der Forschungsstelle für Hochschularbeitsrecht an der Universität Freiburg und Rechtsanwalt in Lahr

Die aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeitverfassung (BAG vom 12. September 2022, 1 ABR 22/21, Pressemitteilung Nr. 35/22) ankert im Recht der Europäischen Union, konkret in einer Zusammenschau der Arbeitsschutzrichtlinie 89/391 und der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88. Diesen Richtlinien entnimmt das BAG das Gebot, mangels einer anderen Vorschrift § 3 Absatz 2 Nr.1 des deutschen Arbeitsschutzgesetzes unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass der Arbeitgeber schon jetzt gesetzlich verpflichtet ist, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen. » weiterlesen

BAG zur Arbeitszeiterfassung: Pflicht für alle Arbeitgeber

Dr. Christoph Kurzböck (Nürnberg), Dr. Michael Braun (Hof) und Kaspar B. Renfordt (Köln) sind tätig bei Rödl & Partner

Nach dem „Stechuhrurteil“ des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das im Jahr 2019 mit der Begründung der Zielvorgaben der europäischen Arbeitszeitrichtlinie eine Pflicht zur (Vollzeit-)Erfassung der Arbeitszeit ins Leben rief (vgl. EuGH, Urt. v. 14.05.2019 – C-55/18), waren sich die Juristen in Deutschland im Ergebnis noch einig: In Deutschland muss der Gesetzgeber erst aktiv werden und die Vorgaben des EuGH umsetzen, denn eine gesetzliche Grundlage für eine derartige Pflicht zur Arbeitszeiterfassung existiere im deutschen Recht noch nicht. Knapp drei Jahre später entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun: Eine gesetzliche Grundlage für eine Vollzeiterfassung existiere im deutschen Recht sehr wohl. Die Pflicht ergibt sich aus dem Arbeitsschutzgesetz (BAG, Beschl. v. 13.09.2022 – 1 ABR 22/21). Die Norm, mit der das BAG begründet, dass Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet seien, ein System zur Erfassung der Arbeitszeit einzuführen, ist indes schon seit Jahrzehnten im deutschen Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) niedergeschrieben. » weiterlesen