Umsetzung der Arbeitszeiterfassungspflicht bleibt Aufgabe des Gesetzgebers

Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Löwisch, Leiter der Forschungsstelle für Hochschularbeitsrecht an der Universität Freiburg und Rechtsanwalt in Lahr

Das Bundesarbeitsgericht hat seine Entscheidung zur Arbeitszeiterfassung (Beschluss vom 13. September 2022, 1 ABR 22/12) nunmehr begründet. Danach bleibt es ohne Einschränkung bei der Pflicht jedes Arbeitgebers zur Arbeitszeiterfassung: „Arbeitgeber sind nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen, für die der Gesetzgeber nicht auf der Grundlage von Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG eine von den Vorgaben in Art. 3, 5 und 6 Buchst. b dieser Richtlinie abweichende Regelung getroffenen hat“ (Leitsatz 1).

Damit rückt die praktische Umsetzung der Arbeitszeiterfassungspflicht de lege lata in den Vordergrund. Zu unterscheiden sind dabei Betriebe mit Betriebsrat und solche ohne Betriebsrat Gesondert zu erörtern ist die Arbeitszeiterfassung leitender Angestellter. Abschließend stellt sich die Frage nach der verbleibenden Aufgabe des Gesetzgebers. » weiterlesen

Schadensersatz wegen zu wenig Arbeit?

Alexander Greth ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht im Düsseldorfer Büro der Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons.

Vor einigen Wochen ging der Fall eines WDR-Redakteurs durch die Presse, der seinen Arbeitgeber wegen „Nichtbeschäftigung“ auf eine Entschädigung von 75.000 € verklagt. Der Berichterstattung war zu entnehmen, dass der Redakteur bei einem Jahresgehalt von 100.000 € brutto nur wenige Stunden im Monat arbeitet. Bei Umrechnung des Gehaltes auf die tatsächliche Arbeitszeit ergibt dies einen beeindruckenden Stundenlohn, den man sonst nur von Profifußballern kennt und der wenig Anlass zur Klage geben sollte. Es mag daher auf den ersten Blick absurd erscheinen, dass der Redakteur aus seiner geringen Beschäftigung einen Schadensersatzanspruch ableitet. » weiterlesen

Habemus causas: Die Arbeitszeiterfassung ist amtlich – und gilt ab sofort!

RAin Nicola Dienst und RA/FAArbR Thomas Niklas, Partner bei Küttner Rechtsanwälte, Köln

Das Warten hat ein Ende: Selten zuvor haben Arbeitswelt und beratende Praxis, aber auch der Bundesarbeitsminister so sehnsüchtig auf die Begründung einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gewartet wie im Fall des Beschlusses vom 13. September 2022 (1 ABR 22/21). Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 14. Mai 2019 (C-55/18 – CCOO) die Lawine zur allgemeinen Arbeitszeiterfassung losgetreten hatte und der Gesetzgeber sich – einmal mehr – in vornehmer Zurückhaltung hinsichtlich der Klärung notwendiger Fragen geübt hat, hat der 1. Senat nun Fakten geschaffen. » weiterlesen

Hier ist Musik drin – Corona-Testpflicht an der Staatsoper

RA Thomas Köllmann, Küttner Rechtsanwälte, Köln

Die Corona-Pandemie beschäftigt die Arbeitsgerichte weiterhin in den unterschiedlichsten Facetten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit detaillierter Begründung zur Möglichkeit der Anordnung von Corona-Tests zur Umsetzung eines betrieblichen Hygienekonzepts positioniert (BAG 1. Juni 2022, 5 AZR 28/22). Die dortigen Ausführungen bieten wichtige Anhaltspunkte für die künftige Umsetzung. » weiterlesen

Unionsrechtskonforme Arbeitszeiterfassung

Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Löwisch, Leiter der Forschungsstelle für Hochschularbeitsrecht an der Universität Freiburg und Rechtsanwalt in Lahr

Die aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeitverfassung (BAG vom 12. September 2022, 1 ABR 22/21, Pressemitteilung Nr. 35/22) ankert im Recht der Europäischen Union, konkret in einer Zusammenschau der Arbeitsschutzrichtlinie 89/391 und der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88. Diesen Richtlinien entnimmt das BAG das Gebot, mangels einer anderen Vorschrift § 3 Absatz 2 Nr.1 des deutschen Arbeitsschutzgesetzes unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass der Arbeitgeber schon jetzt gesetzlich verpflichtet ist, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen. » weiterlesen

BAG zur Arbeitszeiterfassung: Pflicht für alle Arbeitgeber

Dr. Christoph Kurzböck (Nürnberg), Dr. Michael Braun (Hof) und Kaspar B. Renfordt (Köln) sind tätig bei Rödl & Partner

Nach dem „Stechuhrurteil“ des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das im Jahr 2019 mit der Begründung der Zielvorgaben der europäischen Arbeitszeitrichtlinie eine Pflicht zur (Vollzeit-)Erfassung der Arbeitszeit ins Leben rief (vgl. EuGH, Urt. v. 14.05.2019 – C-55/18), waren sich die Juristen in Deutschland im Ergebnis noch einig: In Deutschland muss der Gesetzgeber erst aktiv werden und die Vorgaben des EuGH umsetzen, denn eine gesetzliche Grundlage für eine derartige Pflicht zur Arbeitszeiterfassung existiere im deutschen Recht noch nicht. Knapp drei Jahre später entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun: Eine gesetzliche Grundlage für eine Vollzeiterfassung existiere im deutschen Recht sehr wohl. Die Pflicht ergibt sich aus dem Arbeitsschutzgesetz (BAG, Beschl. v. 13.09.2022 – 1 ABR 22/21). Die Norm, mit der das BAG begründet, dass Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet seien, ein System zur Erfassung der Arbeitszeit einzuführen, ist indes schon seit Jahrzehnten im deutschen Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) niedergeschrieben. » weiterlesen

Das Betriebsrisiko in der Pandemie – keine Vergütung bei Betriebsschließung?

RA Thomas Köllmann, Küttner Rechtsanwälte, Köln

Müssen Betriebe etwa mangels verfügbarer Rohstoffe oder Energieknappheit vorrübergehend schließen, stellt sich die Frage, ob Beschäftigte ihren Anspruch auf Vergütung behalten, wenn die Arbeitsleistung nicht erbracht werden kann. Dies ist nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 615 S. 3 BGB) der Fall, wenn „der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls“ trägt. Im Fall pandemiebedingter Betriebsschließungen ist eine solche Risikotragung des Arbeitgebers nach der aktuellen Rechtsprechung des BAG nicht ausnahmslos anzunehmen. Der 5. Senat des BAG hat in zwei Entscheidungen vom 13. Oktober 2021 (5 AZR 211/21) und – der hier besprochenen – vom 4. Mai 2022 (5 AZR 366/21) seine bisherige Rechtsprechung zum Betriebsrisiko maßgeblich weiterentwickelt. Mit Folgen für Beschäftigte und Arbeitgeber. » weiterlesen

BAG hält an seiner Rechtsprechung fest: Ein Betriebsrat, der nach Planungsabschluss einer Betriebsstillegung gegründet wird, kann nicht die Aufstellung eines Sozialplans verlangen

RA/FAArbR Dr. Christoph Kurzböck ist tätig bei Rödl & Partner in Nürnberg.
RAin/FAinArbR Cornelia Schmid leitet das Arbeitsrechtsteam bei Rödl & Partner in Nürnberg.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hält an seiner Rechtsprechung aus den Jahren 1981 (BAG vom 20.04.1982 – 1 ABR 3/80) und 1991 (BAG vom 22.10.1991 – 1 ABR 17/91) fest. In der zugrundeliegenden Entscheidung (BAG vom 08.02.2022 – 1 ABR 2/21) musste sich das BAG mit der Frage auseinandersetzen, zu welchem Zeitpunkt ein Betriebsrat bestehen muss, um die Aufstellung eines Sozialplans erzwingen zu können. » weiterlesen

Aktuelles vom BAG zum Wiedereinstellungsanspruch

RA Christian Schnurrer ist Associate im Münchener Büro von Reed Smith und Mitglied der Labor & Employment Group.

Eine kürzlich ergangene Entscheidung des BAG (BAG vom 25.05.2022 – 6 AZR 224/21) bietet Anlass, sich mit den Grundsätzen des Wiedereinstellungsanspruchs allgemein und im Rahmen einer Insolvenz zu beschäftigen. Zudem könnte das Urteil eine Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung andeuten. » weiterlesen

BAG schafft Klarheit: Keine Änderung der Darlegungs- und Beweislasten im Überstundenvergütungsprozess

RAin Kerstin Helmerich ist Associate im Frankfurter Büro von Simmons & Simmons und Mitglied der Praxisgruppe Arbeitsrecht.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat kürzlich mit Urteil vom 4. Mai 2022 (5 AZR 359/21) seine bisherige Rechtsprechung zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten im Überstundenvergütungsprozess bestätigt.

Die Grundsätze des BAG waren in Folge des sog. „Stechuhr-Urteils“ des EuGH vom
14. Mai 2019 (C-55/18) durch das Arbeitsgericht Emden mit Teilurteil vom 9. November 2020 (2 Ca 399/18) in Frage gestellt worden. Die Bestätigung des Urteils des Arbeitsgericht Emden hätte zu einer entscheidenden Umverteilung der Darlegungs- und Beweislasten zuungunsten der Arbeitgeber führen können, die noch kein nach der Rechtsprechung des EuGH erforderliches „objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem“ eingeführt haben. » weiterlesen